Im Trainingsraum hört man laute Musik. Die Schüler reden miteinander und sind mehr im Gespräch vertieft als mit den Gedanken bei der Bewegung. Gut so? Vielleicht!

Lautsprecher und Kampfsport lernen in Saarbrücken. Abgelenkt oder nicht?In den meisten Fitnessstudios in Saarbrücken läuft mehr oder weniger laute Musik und gerade bei Zumba und Aerobic ist es fester Bestandteil des Trainings. Im Taichi, Qigong oder Meditationsstunden hört man vielleicht leise Musik im Hintergrund. Es sind dann weniger pulsierende Bässe, die den Raum beherrschen, als eher sanfte fernöstliche Klänge, die einen eher beruhigen sollen. Doch ist es überhaupt sinnvoll, Musik laufen zu lassen? Oder allgemeiner gefragt: Ist es denn sinnvoll, Geräusche oder andere Dinge zuzulassen, die einen eher ablenken und die Aufmerksamkeit und Konzentration eher stören?

So mancher Sifu im Kung Fu oder auch Trainer im Karate oder einem anderen Kampfsport-Stil wird seinen Schülern schon mal zugerufen haben: Hey! Nicht so viel quatschen und konzentriert euch auf eure Bewegung. Sicher ist es respektlos, wenn der Trainer allen Schülern etwas erklären möchte und andere reden dazwischen oder führen abseits ein eigenes Gespräch. Doch was, wenn der Trainer gerade nichts erklärt und man sich mit seinem Trainingspartner unterhält? Vielleicht hat das Thema nicht einmal etwas mit dem Training zu tun. Ist das nicht störend und kontraproduktiv? Und ist es mit der Musik nicht ähnlich? Doch und das ist manchmal auch gut so!

Stabilisierungstraining

Ob man nun Krav Maga, Boxen oder Wing Chun trainiert, man möchte erreichen, dass Bewegungen ähnlich aussehen. Bewegungen sind nicht immer 100 % exakt gleich, daher ist Ähnlichkeit schon einmal ein gutes Ziel. Wenn ich Dan Chi mache oder Lapsao, sind die Bewegungen beider Partner ähnlich und wenn sich nicht die Geschwindigkeit oder der Druck ändert, sehen sie auch immer ähnlich aus. Wenn man Fauststoß mit Paksau üben möchte und der Trainingspartner immer mit dem "selben" Fauststoß angreift, wird mein Paksau auch immer ähnlich sein zu denen davor. Diese Ähnlichkeit soll dieses Video aufzeigen. Da diese Art des Trainings unabhängig von der Sportart ist, hier am Beispiel von Vorhand Kontern im Tischtennis. Die beiden Parner bewegen sich fast wie Roboter und man könnte meinen sie machen jedes mal die selbe Bewegung -> Youtube Link.

Beim Stabilisierungstraining zielt man auf eine Verbesserung der Ergebniskonstanz. Hierbei konzentrieren sich die Trainingspartner auf das, was sie tun. Auch der Trainer versucht die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Bewegung hinzulenken und Störendes, Ablenkendes versucht er abzustellen. Das kann auch bedeuten, dass er quasselnde Schüler daran erinnert, dass es jetzt wichtig wäre, sich auf die Übung zu konzentrieren. Auch laute Musik wäre da eher kontraproduktiv.

Automatisierungstraining

Das Automatisierungstraining sportmotorischer Fähigkeiten hingegen lenkt die Aufmerksamkeit weg von der Übung. Hierzu hilfreich sind meist Mehrfachaufgaben. Dabei kann der Trainer kognitive oder motorische Zusatzaufgaben stellen, die einen Teil der Konzentration des Schülers weglenken. Dies kann sogar themenunspezifisch sein, also das Summen einer Melodie, das Zählen oder das Einprägen von Begriffen.  Ziel ist es, dass der Schüler später Bewegungen auch unter Störung automatisiert abrufen kann.

Das Beispiel hier ist aus dem Fußball. Die Spieler sollen einen Ball jonglieren. Der Trainer macht dabei viele lustige Spiele und gibt Zusatzaufgaben. -> Youtube Link

Exkurs Fußball

Fussball und Automatisierung. Kampfsport und Automatisierung In vielen Sportarten wird ein größerer Teil der Aufmerksamkeit auf erfolgreiches Handeln in taktischen Situationen verlangt. Während Dribblings im Fußball werden u.a. Mitspieler und Gegenspieler beobachtet und man sucht nach Abspielmöglichkeiten oder ob ein Schuss auf das Tor möglich ist.

Besonders komplexe Situationen (z. B. viele Spieler im 16-Meter-Raum) erfordern viel Aufmerksamkeit. Darunter kann die Qualität der Gesamtbewegung leiden, wenn wesentliche Bewegungen nicht automatisch gelingen. Hier der exakte Schuss auf's Tor oder das präzise schnelle Abspiel im 16 -Meter-Raum. Selbst bei Profis sieht man es öfter, dass ein Schuss aus wenigen Metern auf das freie Tor nicht gelingt. Der Spieler ist überfordert, abgelenkt und einfache Schüsse gelingen nicht.

Dies bedeutet, dass je weniger der Spieler die Aufmerksamkeit auf die Korrektheit der Bewegungsausführung lenken muss, desto mehr Kapazität hat er frei, um auf Veränderungen der Situation zu reagieren und desto besser kann er Techniken an neuen Gegebenheiten anpassen.

Automatisierungstraining im Kampfsport

In einem Kampf gibt es keinen 16-Meter-Raum und im besten Fall hat man es auch nur mit einem Angreifer zu tun. Dennoch gibt es auch bei Auseinandersetzungen Ablenkungen. Hier einige Ideen: Lärm (z. B. Schreien), unsicherer Boden (z. B. Wurzelwerk im Park), räumliche Begrenzungen (z. B. Möbel in einer Kneipe), Wetter (z. B. Nässe bei Regen), Psyche ( z. B. Einschüchterung wegen brutal wirkendem, großen Gegener).

Automatisierungstraining gehört ebenso zu einem guten Kampfsporttraining, wie Stabilisierungstraining. Und geht es in einer Trainingseinheit genau eben um diese Weglenkung der Aufmerksamkeit, sind Musik, Gespräche oder lustige Zusatzaufgaben ein gutes Mittel, um dies zu tun.

Ein fernöstlicher Taichi-Meister, der zwei Leute trifft, die sich in einem Saarbrücker Park vergnügt unterhalten und dabei z.B. Lapsau machen, und der diese fragt, ob es denn nicht sinnvoller wäre, schweigend und konzentrierter bei der Sache zu sein, könnte im besten Fall einfach nicht wissen, dass diese gerade Automatisierung trainieren wollen, oder, im schlechten Fall, hat er keine Ahnung von Bewegungswissenschaft.

Eine sehr konstruktive Trainingsatmosphäre könnte also sein: Es läuft Rockmusik, die Schüler reden lautstark miteinander und es wird gelacht und der Sifu sitzt in der Ecke und trinkt entspannt seinen Tee. Wenn den Schülern und dem Trainer bewusst ist, was das Ziel dieser Ablenkungen ist und sie als Mittel verstanden werden, daß Wing Chun besser zu machen, dann sollte man dieses Mittel einsetzen. Die bewusste Weglenkung der Aufmerksamkeit gehört zu gutem Kampfsport und Kampfkunst-Training dazu.

Der Sifu kommt und sagt: Hey! Könnt ihr nicht noch etwas quatschen und euch ablenken ;)