Gewalt hat im Sport keinen Platz – doch um Betroffene effektiv zu schützen und ein sicheres Umfeld für alle Beteiligten zu schaffen, braucht es klare Regeln und Strukturen wie den Safe Sport Code. Aber ist nicht Gewalt ein Teil von Selbstverteidigung? Wir ordnen ein.
Interpersonale Gewalt ist ein ernstes Problem im Sport, das in vielen Formen auftreten kann. Studien zeigen, dass solche Vorfälle von Gewalt oft unterhalb der strafrechtlichen Relevanz bleiben und dennoch erheblichen Schaden verursachen können – sei es durch diskriminierende Äußerungen, unangemessenen Körperkontakt oder Machtmissbrauch. Safe Sport ist eine Antwort auf dieses Problem. Doch welche Art von Gewalt können wir nun im Kampfsport als angemessen erklären und was lehnen wir ab?
Gewalt im Kampfkunstunterricht: Eine differenzierte Betrachtung
In einer Kampfkunstschule für Selbstverteidigung ist Gewalt ein notwendiger Teil des Trainings. Sie wird kontrolliert und sicher eingesetzt, um den Schülern zu vermitteln, wie sie sich in einer Bedrohungslage verteidigen können. Ziel ist es nicht, Schikane oder Demütigung zu erzeugen, sondern Fähigkeiten zur Selbstverteidigung zu erlernen. Doch es gibt klare Grenzen!
Der DOSB und ähnliche Organisationen verurteilen jede Form von Gewalt, die zu Missbrauch oder der Missachtung von Rechten führt. Unzulässige Gewalt entsteht, wenn die körperliche Auseinandersetzung den sicheren, kontrollierten Rahmen verlässt und in Übergriffe oder Demütigung umschlägt. In einer Kampfkunstschule setzen wir Gewalt gezielt ein, um die Schüler auf die Ernsthaftigkeit eines realistischen Angriffs vorzubereiten, ohne sie dabei zu überfordern. Die Trainer müssen die individuellen Grenzen jedes Schülers kennen und respektieren, um ein sicheres und effektives Training zu gewährleisten.
Der Schüler soll die Absicht hinter der Übung verstehen, soll wissen, warum die körperliche Auseinandersetzung stattfindet und soll jederzeit die Kontrolle über das Geschehen behalten. Er soll weiterhin die Möglichkeit haben, die Übung zu beenden oder die Intensität an seine aktuelle Verfassung anzupassen.
Wie erkennt man zulässige Gewalt?
Sicherheitsvorkehrungen: Schutzmaßnahmen wie Polster und Helme verhindern Verletzungen.
Respekt: Gewalt darf nicht zur Dominanz oder Angst führen.
Zielgerichtet: Jede Übung dient der Erlernung praktischer Selbstverteidigungstechniken.
Kontrolle und Kommunikation: Trainer müssen jederzeit die Kontrolle über das Training haben und die Grenzen der Schüler respektieren.
Fazit: Notwendige Gewalt im Training ist nicht gleich unzulässige Gewalt.
Der Unterschied zwischen zulässiger und unzulässiger Gewalt liegt im Kontext und der Intention. Gewalt im Training ist dann zulässig, wenn sie zur Vermittlung von Selbstverteidigungsfähigkeiten dient und stets sicher sowie respektvoll erfolgt.
Ziele und Inhalte des Safe Sport Codes
Der Safe Sport Code schafft ein Regelwerk, um Gewalt im Sport gezielt zu bekämpfen und ein sicheres Umfeld für alle Beteiligten zu fördern. Entwickelt vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Deutschen Sporthochschule Köln, geht der Code über strafrechtliche Regelungen hinaus und ermöglicht die Sanktionierung unangemessenen Verhaltens. Weil Artikel 4 des Codes und seine Erläuterungen als wesentlich erachtet werden, findet ihr hier dazu einen eigenen Beitrag.
Wichtige Aspekte des Codes:
- Definition und Prävention von Gewalt: Der Code definiert sie als körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt oder als Gewalt durch Vernachlässigung. Verbot aller dieser Formen von interpersonaler Gewalt, auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, wie schikanöses Verhalten oder diskriminierende Äußerungen.
- Strukturen und Verfahren: Einführung von Präventionsbeauftragten, Ombudspersonen und Untersuchungsteams. Verfahren können an externe Stellen, wie das geplante Zentrum für Safe Sport, übertragen werden.
- Sanktionen: Konsequenzen für Einzelpersonen (z. B. Lizenzentzug oder Ausschluss) und Organisationen (z. B. finanzielle Strafen oder Entzug von Mitwirkungsrechten).
Um eine flächendeckende Anwendung zu gewährleisten, soll der Code bis 2028 in die Satzungen aller Mitgliedsorganisationen des DOSB aufgenommen werden. Ein Anhang mit Verhaltensregeln bietet konkrete Leitlinien, beispielsweise zu Körperkontakt oder Einzeltrainings, und kann sportartspezifisch angepasst werden.
Warum der Safe Sport Code so wichtig ist
Der Code ist ein Meilenstein, um eine Kultur des Hinsehens und Handelns zu fördern. Er bietet nicht nur Schutz für Betroffene, sondern stärkt auch das Vertrauen in Sportvereine und -verbände. Für Sportorganisationen signalisiert er ein klares Bekenntnis gegen Gewalt und schafft verlässliche Präventions- und Disziplinarstrukturen. Diese Art von Gewalt hat in Kampfkunst und Kampfsport nichts verloren, da dieser auf Respekt, Disziplin und Selbstbeherrschung basiert. Der wahre Zweck von Kampfsportarten ist nicht, dem Trainingspartner Schaden zuzufügen, sondern die eigene körperliche und geistige Stärke zu fördern sowie die Fähigkeiten zur Selbstverteidigung für Notsituationen zu entwickeln. Das Training bereitet auf solche Notfälle vor, wobei der Grad der Realitätsnähe variierbar ist. Dennoch steht immer die Sicherheit des Trainingspartners im Vordergrund. Es ist wichtig, Training und tatsächliche Einsatzsituation klar zu unterscheiden. Weiterhin ist es entscheidend, dass ein gegenseitiges Vertrauen unter den Trainingsteilnehmern besteht und der Trainer als Vertrauensperson fungiert. Ohne dieses Vertrauen ist ein effektives und sicheres Kampfsporttraining (eigentlich in jeder Sportart) nicht möglich. Das gilt auch für das Wing Chun Training.
Abschließende Gedanken
Sport hat das Potenzial, Körperbewusstsein und Selbstbestimmung zu stärken, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, sei es in der Kita, im Kindergarten oder in der Schule. Der Safe Sport Code unterstützt dieses Potenzial, indem er ein respektvolles und sicheres Miteinander fördert. Er zeigt, dass Gewalt im Sport keinen Platz hat und dass jeder Einzelne ein Recht auf Würde und Sicherheit hat – auf und neben dem Spielfeld. Weitere Informationen finden sich beim Landessportverband für das Saarland unter dem Punkt "Schutz vor Gewalt". Viele Vereine in Saarbrücken und im ganzen Saarland setzen bereits die wesentlichen Punkte des Codes um oder haben diese sogar schon vollständig implementiert.
Im Einklang mit der Förderung von Sicherheit und Respekt im Sport in Bildungseinrichtungen ist es unerlässlich, auch die Prinzipien der Deeskalation zu verstehen und anzuwenden, um Konflikte ohne Gewalt zu lösen.
Mehr zum Thema Deeskalation bald in einem weiteren Text.