Ein wichtiger Aspekt im Wing Chun Kung Fu ist das respektvolle Miteinander beim Trainieren. Der Schwerpunkt liegt – anders als etwa im Ringen, Sumo oder Boxen – nicht primär auf der Entwicklung von Kraft oder Kondition, sondern auf Reflexen, Geschmeidigkeit, Konzentration und Koordination. Dennoch ist auch funktionale Kraft ein wichtiger Bestandteil

Yin und Yang des Taoismus im Kung FuViele, die erst mit dem Wing Chun angefangen haben, berichten positiv über die schnellen Lernerfolge und die frühen Erfolgserlebnisse.

Eine der wenigen Voraussetzungen, die man für das Wing Chun mitbringen sollte, sind Konzentrationsfähigkeit und vor allem Spaß an der Bewegung. Das Wing Chun Training erfordert viel Aufmerksamkeit, da es viele Bewegungen gibt, bei denen Arme und Beine gleichzeitig koordiniert bewegt werden. Das Training trägt zur Konzentration und zur Entspannung bei und gibt einem ein besseres Körpergefühl. 
Vergleiche zum Tai Chi kommen dabei nicht von ungefähr.

Wing Chun hat seine Ursprünge in China. Die fernöstliche Kultur sowie die philosophischen und theologischen Strömungen Asiens finden sich daher auch in dieser Kampfkunst* wieder.

In den Elementen dieser Kampfkunst (Trainingssystem, chinesische Titel wie "Sihing" oder "Sifu") spiegeln sich insbesondere drei philosopische Richtungen wider, die unterschiedlich in ihr wirken. Es sind Elemente des Buddhismus, Taoismus und des Konfuzianismus . Diese drei Strömungen sollen hier nicht besprochen werden sondern nur ein paar Beispiele wie sie vieleicht einfluss auf diesen Stil haben.

Der Buddhismus

Eine Lehre des Buddhismus ist u.a. die Lehre vom Leiden. Im Wing Chun wird dies deutlich durch ausdauerndes und realitätsnahes Training sowie durch Geduld und die rechte Gesinnung beim Training.

Wing Chun ist zwar äußerst effektiv, an einem Tage läßt es sich allerdings nicht erlernen. Nur die Schüler, die dies verinnerlichen, werden es erfolgreich erlernen und ausüben können.

Der Taoismus

Der Taoismus (Tao = der Weg) geht auf Lao-Tse zurück und wird im Wing Chun insbesondere durch die "weichen" Nachgebetechniken wirksam. Dem Druck und der Kraft, der man nicht standhalten kann, wird man nachgeben, um zu siegen. Dieses Prinzip kann z.B. deutlich werden in der Techniken des Bong-sau. Der Kraft des Gegners muss man nicht mit Kraft begegnen, sondern mit Geschicklichkeit. Dies ist ein Ziel des Trainings.

Entsprechend der Lehre des Tao lehrt das Wing Chun keine komplizierten, unnatürlichen Bewegungen oder Techniken, sondern Prinzipien, die einfach und natürlich sind und gerade dadurch ihre besondere Wirksamkeit erhalten. Aus dem ewigen Prinzip des YIN und YANG läßt sich ebenfalls die Beziehung der direkten und "hart" durchgeführten Techniken (Fauststoss ?,Chumsau ? ..) und der indirekten "weichen" Techniken (Tansau ? , Bongsau? ...) herleiten. Zwar sind die Möglichkeiten Techniken "hart" oder "weich" auszuführen unterschiedlich gehören aber dennoch zusammen und sind untrennbar miteinander verbunden.

Der Konfuzianismus

Konfuzius  und das Kung-Fu - PhilosophieKonfuzius lehrte Respekt und Disziplin. Diese sind stets erforderlich, wenn man Wing Chun erfolgreich lernen will.

Wing Chun kann man nur schwer "nebenher", "ab und zu" und nur als "Hobby" unter vielen ausüben; jedenfalls nicht, wenn man schnell eine effektive Selbstverteidigung für den Notfall beherrschen will.

Denn dafür bedarf es eines beharrlichen Übens und starke Disziplin. Schnellkurse in Selbstverteidigung haben zwar Konjunktur; in 10 Kursstunden wird man aber keinen Meister.

Respekt und Disziplin gegenüber dieser Kampfkunst, dem Lehrer und anderen Mitschülern aber auch die realistische Betrachtung von Gewalt, Brutalität und Notwehr sind - neben regelmäßigem Training - Grundvoraussetzung für eine effektive Selbstschutzausbildung.

Vom richtigen Trainieren

Das traditionelle Wing Chun besitzt in der Ip-Man-Linie drei bekannte Partnerübungen: Dan Chi Sao, Lap Sao und Chi Sao. Diese Übungen verfolgen bestimmte Trainingsziele. Weitere Partnerübungen können hinzukommen. Vielleicht entwickelt der Verband, die Schule, der Lehrer oder sogar die Schüler selbst weitere Partnerübung. Auch dabei verfolgen diese Übungen ein oder mehrere Ziele. Richtiges Trainieren bedeutet, dass man nicht versucht, dem Trainingspartner Hindernisse beim Erreichen der Ziele in den Weg zu stellen. Man trainiert unterstützend, nicht destruktiv. Die Erläuterung soll anhand des Beispiels Lap Sao erfolgen. Nehmen wir an, die Übung Lap Sao hat u. a. folgende Ziele: stabiles Stehen und Balance des Körpers, Beweglichkeit und Dehnung der Schultern, Beweglichkeit der Rückenmuskulatur und Kräftigung, Timing von Zug und Stoß, Konditionierung der Bong-Bewegung auf einen Zug, Loslassen und Entspannung.

Angenommen, der Trainingspartner zieht ständig sehr stark an meinem Arm: Der Bong sinkt dadurch ab, und ohne eine Wu würde er mich jedes Mal treffen. Das ist destruktives Training! Unterstützend wäre, dass ich es dem anderen ermögliche, seinen Bong zu üben, dass er nicht verkrampft und erfährt, wie es ist, wenn sein Bong den Fauststoß abwehrt, wenn seine Schultern gestärkt werden und er diese Bewegung einüben kann. Nur dann kann man mit dieser Übung auch die Übungsziele erreichen. In einem Kampf könnte es sein, dass der Angreifer sehr stark an meinem Arm zieht. Wenn ich nicht gelernt habe, loszulassen und stattdessen verkrampfe, werde ich schief stehen und ggf. die Balance verlieren. Es kann auch sein, dass es mir in die Schulter fährt und ich starke Schmerzen habe. Ja, in einem Kampf kann es sein, dass der Bong als Verteidigung nicht funktioniert, weil der andere stark daran zieht und ich die Abwehr mit der Wu machen muss. Das ist aber kein Gegenargument gegen das Ziel der Übung.

Denn im Laufe der Zeit werden die Rücken- und Schultermuskulatur stärker und beweglicher, der Bong fällt mir leichter und auch kräftigere Züge machen mir keine Probleme. Dennoch kann es sein, dass ich einen sehr starken Zug nicht mit Bong abwehren kann. Trotzdem ist es sinnvoll, dieses Ziel weiterzuverfolgen, denn vielleicht greift mich jemand an, der nicht so stark am Arm zieht – dann funktioniert der Bong wie vorgesehen. Zieht jemand kräftiger, komme ich mit der Belastung so klar, dass ich loslassen kann, nicht verkrampfe und z. B. die Wu zur Verteidigung nutze. Das sind alles Ziele dieser Partnerübungen, die man nicht isoliert betrachten sollte. Wenn mich mein Trainingspartner ständig daran hindert, meine Bewegungen sauber auszuführen, kann man die verschiedenen Ziele der Übung nicht erreichen.

Einem Anfänger schlägt man auch nicht mit 100 % der eigenen Kraft gegen seinen Tan Sao. Er wird wahrscheinlich nicht standhalten. Was wird der andere nun daraus lernen? Dass ein Tan Sao nichts taugt? Das wäre kurzsichtig und unklug. Ein Anfänger benötigt sehr viel Zeit, bis er einen stabilen und funktionalen Tan Sao gegen einen kräftigen Angriff anwenden kann. Daher beginnt man mit geringer Kraft und steigert diese allmählich. Dann werden die Angriffe immer realistischer und zeigen, dass der Tan Sao als Abwehr funktioniert. Es kann sein, dass ein körperlich nicht so starker Schüler nach längerer Zeit problemlos mit einem Bong einen Angriff abwehren kann – von einem ebenfalls schwächeren Schüler –, obwohl ihm das zu Beginn nicht gelungen ist. Er hatte also einen Trainingseffekt. Und dennoch kann es sein, dass er bei einem Zug eines sehr kräftigen Schülers nie mit Bong abwehren kann. Dafür hat er aber gelernt, locker zu bleiben und z. B. die Wu zur Verteidigung einzusetzen.
Hätte er nicht so trainiert mit dem Argument, die gesamte Partnerübung Lap Sao sei unrealistisch, hätte der Schüler in einer realen Situation mit starkem Zug nie die Erfahrung gemacht, dass jemand an seinem Arm zieht, dass er bei stärkerer Belastung loslassen sollte, dass er weiterhin stabil in der Körperstruktur bleiben sollte und dass er automatisch z. B. die Wu zur Abwehr einsetzen könnte. Er wird verkrampfen, sein Körper wird sich nach vorne neigen, die Wu wird im falschen Moment eingesetzt, die gesamte Struktur ist gestört. Eine Partnerübung kann bei negativer Absicht so gestört werden, dass keine Bewegung im Ablauf funktioniert und die ganze Übung damit nutzlos wird. Wer dann glaubt, die Übung sei sinnlos, hat das Wesen und die Methode des Wing-Chun-Trainings nicht verstanden. Übungen sind kein Kämpfen und haben mit Kämpfen auch nur indirekt etwas zu tun. So stärken sie, dehnen, konditionieren Abläufe uvm, um in einem Kampf besser gewappnet zu sein. Nur Kämpfen ist Kämpfen.

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