Ist das Training von Kampfsport oder Kampfkunst für Kinder eine gute Idee? Was sollte bedacht werden, welche Stile sind sinnvoll für das Lernen einer Selbstverteidigung im Kindesalter?

Phasen der motorischen Entwicklung bei Kindern

Kinder machen Judo oder Karate - Sinnvoll?Das Wissen über die motorische Entwicklung eines Kindes ist für einen Trainer sehr wichtig. Da verschiedene Fähigkeiten für die Kampfkunst wegen der körperlichen Reife nicht in jedem Lebensjahr eines Kindes effektiv trainiert werden können, wird ein falsches Training keinen Erfolg bringen oder sogar schaden. Je nach Alter, ist das Kind noch damit beschäftigt seine Koordinationsfähigkeiten zu verbessern, kann sich schlecht konzentrieren und möchte eher spielen, als Übungen längere Zeit am Stück zu machen. Daher müssen ein Trainer und eine Schule, die Kampfsport für Kinder anbietet, diese Entwicklungen berücksichtigen und individuell beachten. Ebenso wichtig ist das pädagogische Feingefühl im Umgang mit sensiblen Themen. Nicht jede Form der im Kampfsport vorkommenden Techniken – wie zum Beispiel Würgegriffe – ist für jedes Alter geeignet, weder körperlich noch inhaltlich. Auch gesellschaftliche Gewaltformen, die in der Realität vorkommen, sollten kindgerecht behandelt oder bewusst ausgeklammert werden, wenn sie das Kind überfordern könnten. Der Schutz der kindlichen Unbeschwertheit hat Vorrang – Inhalte müssen altersgerecht, verantwortungsvoll und mit Bedacht vermittelt werden.

Ab welchem Alter kann mit dem Selbstverteidigungstraining anfangen werde?

Eine Recherche im Netz ergab, dass es Angebote ab 3 Jahren gibt und bei verschiedenen Shaolin-Schulen ab ca. 6 Jahren mit dem Training angefangen wird. Zu frühes Training kann aber dazu führen, dass die Kinder geistig und körperlich schlecht dem Training folgen können. Wichtig ist aber, dass die Kinder Freude beim Training haben und motiviert werden. Wenn das Training keine reine Spielstunde ist (dafür empfiehlt sich ein Spielplatz und andere Möglichkeiten), sondern wirklich mit dem Ziel verfolgt wird Selbstverteidigung zu lernen, ist vom ganz frühen Trainingsbeginn abzuraten.

Selbstverteidigung Kampfsport Judo für Kinder. Kampfsport für KinderJudo wird in einzelnen Vereinen im Saarland bereits für Kinder ab vier Jahren angeboten. Dort werden der spielerische und rücksichtsvolle Umgang mit dem eigenen Körper und dem der anderen Kinder vermittelt sowie einfache Basisbewegungen und Techniken gelernt. Von daher wäre in ganz jungen Jahren (ab 4-5?) das Training von Judo anzuraten. Mit Wing Chun, Krav Maga, Hung Gar oder anderen Kung-Fu Stilen sollte man lieber erst später beginnen. Die Söhne von Meister Lok Yiu lernten Wing Chun Kung Fu ab ihrem 16. Lebensjahr. Bruce Lee begann mit 13 Jahren Kung Fu zu lernen und der Boxer William Abelyan begann mit dem Boxen im Alter von 12 Jahren. Je nach Entwicklungsstand des Kindes bzw. Jugendlichen wird eher mit einem Trainingsstart in der Zeit der Adoleszenz empfohlen.

Sind Sie Eltern und haben Sie Fragen zum Thema Selbstverteidigung / Selbstbehauptung und Kampfkunst für Mädchen und Jungen? Möchten Ihre Kinder Kampfsport lernen oder wird noch der passende Stil oder eine Schule (siehe: Schule finden) in Saarbrücken oder einem anderen Ort im Saarland gesucht? Eine Möglichkeit sind die Angebote der VHS Saarbrücken oder beim Hochschulsport der Uni. Bei Fragen, schreiben Sie einfach eine Mail.

Welcher Kampfsport ist am besten für Kinder geeignet?

Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Jede gute Schule oder jeder Verein vermittelt Werte wie Respekt, Disziplin und Selbstbewusstsein. Diese Werte werden in erster Linie zu Hause gelernt. Eine Schule oder ein Verein kann in z. B. zwei Stunden Training pro Woche keine Versäumnisse ausgleichen, sondern nur das unterstützen, was im Alltag bereits vorgelebt wird.

Entscheidend für die Wahl ist, was Ihr Kind in seinem Alter braucht: Geht es darum, erste Bewegungserfahrungen zu sammeln und den Körper zu schulen? Oder ist es schon so weit, sich auch mit dem Thema Gewalt auseinanderzusetzen, das nun einmal Teil der Welt ist? Gerade bei jüngeren Kindern bieten sich oft Judo oder Brazilian Jiu-Jitsu an, da die natürlichen Bewegungsmuster des Raufens und Rangeln spielerisch im Kampfsport aufgegriffen werden. Je nach Entwicklungsstand kann der Schwerpunkt also sehr unterschiedlich sein. 

Wing Chun gilt als hervorragende Selbstverteidigung, weil es auf direkte, effiziente und praxisnahe Bewegungen setzt. Allerdings passen nicht alle Kampfsportarten gleichermaßen dazu: Sehr harte, steife und kraftbetonte Bewegungsmuster erschweren oft den späteren Übergang. Deutlich besser ist es, wenn Kinder zunächst Stile kennenlernen, die weiche, fließende und spielerische Bewegungen fördern – wie etwa Judo oder Brazilian Jiu-Jitsu. Diese entsprechen den natürlichen Bewegungsmustern von Kindern und legen eine Grundlage, die sich später ideal mit Wing Chun verbindet. So haben Kinder in jungen Jahren Freude an Bewegung, während sie im Jugend- oder Erwachsenenalter mit Wing Chun gezielt auch den Aspekt der Selbstverteidigung und Notwehr erlernen können.

Welche Kampfsportart für schüchterne Kinder? 

Pauschal lässt sich dies auch nicht beantworten. Entscheidend ist weniger der Stil, sondern dass das Kind regelmäßig mit anderen zusammen trainiert und dabei in eine Gemeinschaft hineinwächst. Über die gemeinsame Zeit im Training entstehen Freundschaften, das Selbstvertrauen wächst, und der Umgang mit anderen Menschen wird Schritt für Schritt leichter. Fast jede Kampfsportart kann hier den richtigen Rahmen bieten – wichtig ist vor allem die Atmosphäre im Verein und dass sich das Kind wohlfühlt. Man könnte meinen, dass besonders sanfte Stile wie Aikido für schüchterne Kinder geeignet sind. Wissenschaftlich oder logisch ableiten lässt sich das jedoch nicht. Aikido etwa setzt stark auf das Prinzip des Nachgebens und Umlenkens – vielleicht ist das für den einen oder anderen hilfreich, doch ob es langfristig wirklich unterstützt, bleibt fraglich. Schüchterne Kinder brauchen vielleicht eine Balance: den respektvollen und rücksichtsvollen Umgang, aber auch das Lernen, sich klar abzugrenzen und durchzusetzen. Entscheidend ist nicht die Kampfkunst an sich, sondern die Art, wie im Training miteinander umgegangen wird. Ein unterstützendes Umfeld mit klarer Struktur fördert Selbstvertrauen und soziale Stärke – egal, welcher Stil gewählt wird.

Kampfsport im Saarland: Eltern trainieren mit ihren Kindern

Kampfsport Kinder und Eltern gemeinsam in SaarbrückenEine besondere Möglichkeit, gemeinsam mit dem Kind Kampfsport und Selbstverteidigung zu erlernen, bieten Kurse für Eltern und Kinder. Manche Vereine nennen sie "Eltern-Kind-Kurs". In diesen Angeboten trainieren beide Generationen Seite an Seite – nicht nur körperlich, sondern auch im gegenseitigen Vertrauen und Miteinander. Eltern erleben direkt, wie ihre Kinder lernen, sich zu behaupten, und können sie aktiv dabei unterstützen. Gleichzeitig stärken gemeinsame Übungen die Bindung, fördern gegenseitigen Respekt und machen einfach Spaß. Solche Kurse verbinden Bewegung, Erziehung und wertvolle gemeinsame Zeit auf ideale Weise. In Saarbrücken bietet z. B. der Verein TBS einen Eltern-Kind-Kurs in Selbstverteidigung an. Der Preis ist mit 26 €/Monat für zwei Erwachsene und ein Kind recht günstig. Manche Vereine in Saarbrücken verlangen für ein einmal wöchentliches Training teils bis zu 60 € im Monat. Mehr zum TBS Eltern-Kind-Angebot.

Exkurs Studienlage 

Die Studienlage zeigt: Wenn Kampfsportarten mit anderen systematisch betriebenen Sportarten verglichen werden, ergibt sich kein einheitlicher Vorteil für den Kampfsport. In einigen Studien schnitten Judo- oder Karate-Gruppen etwas besser ab, etwa bei körperlicher Fitness oder einzelnen sozialen Parametern, der Vorsprung war jedoch gering. Andere Arbeiten zeigen wiederum keine Unterschiede oder sogar Vorteile für andere Sportarten – so führte Muay Thai beispielsweise zu höheren Zuwächsen in der Knochenmineraldichte als Judo.

Auch bei psychologischen Faktoren wie Selbstbewusstsein oder Aggression ist das Bild uneinheitlich: Teilweise wurden leichte Verbesserungen durch Kampfsport gefunden, teilweise keine Unterschiede, und in Einzelfällen sogar eine leichte Zunahme aggressiven Verhaltens.

Fazit: Kampfsportarten sind für Kinder mindestens so wirksam wie andere systematische Sportarten, aber sie sind nicht generell überlegen. Die Effekte hängen stark von den untersuchten Parametern und der Trainingsmethodik ab.

Aus 2018 "Effects of judo participation in children: A systematic review":  "Im Gegensatz zu den physischen Effekten sind die sozialen/psychologischen Auswirkungen von Judo bei Kindern weitgehend unerforscht. Spezifische Studien zur Aggression fanden sogar höhere Ärgerwerte nach zwei Jahren. Obwohl eines dieser Dojos als „traditionell“ charakterisiert wurde (Respekt, Selbstkontrolle, Meditation), war es weniger traditionell als Karate-Dojos, die stärker auf Meditation und Kata setzten [Reynes, Lorant 2004]. Der „Unterrichtsstil“ („traditionell“ vs. „modern“, letzterer wettkampforientierter/aggressiver) kann eine Schlüsselrolle für Ärger- und Aggressionswerte spielen, ebenso die Eigenschaften der Teilnehmenden und ihr soziales Umfeld."

Strayhorn & Strayhorn [2011: 310] bemerkten kritisch: „In einer von Gewalt geplagten Welt liegt Ironie und Tragik darin, zu hoffen, dass unsere Kinder durch das Lehren von Schlägen, Tritten und Stolpern verbessert werden.“ Um negative Effekte zu vermeiden, müssen Trainer Bildungsprinzipien wie Respekt und Selbstkontrolle fördern [Reynes, Lorant 2004].

Aus 2022 "Effects of Participating in Martial Arts in Children: A Systematic Review": "Diese Übersicht bestätigt, dass Kampfsportprogramme die körperliche Fitness von Vorschul- und Schulkindern verbessern. Am deutlichsten zeigten sich Verbesserungen bei kardiorespiratorischer Fitness, Geschwindigkeit, Agilität, Kraft, Flexibilität, Koordination und Gleichgewicht. Diese Ergebnisse sind wertvoll, um die positiven Aspekte von Budō-Kampfsportarten hervorzuheben und können direkt die Wahl von Kindern und Eltern bei der Sportart beeinflussen."

Resümee: Kampfsport für Kinder

Kinder und Kampfsport  - ab wann und welcher KampfsportBei sehr jungen Kindern (3–6 Jahre) handelt es sich beim sogenannten ‚Kampfsporttraining‘ am besten nicht um echtes Technik- oder Kampftraining. Vielmehr stehen spielerische Bewegungsübungen im Vordergrund, die Elemente aus der jeweiligen Kampfkunst aufgreifen – etwa Fallenlernen, einfache Bewegungen oder Rituale wie die Verbeugung. In der Praxis wird das Angebot trotzdem oft als ‚Kampfsport‘ bezeichnet, weil die Kinder teils Anzug und Gürtel tragen und sich so als Teil einer echten Kampfkunst fühlen. Das ist wichtig für Motivation und Marketing – inhaltlich bleibt es jedoch ein kindgerechtes Bewegungsprogramm im Kampfsport-Rahmen.

Entwicklungspsychologisch passt das gut zu dem, was Erik H. Erikson für dieses Alter beschreibt: Kinder wollen Neues ausprobieren, Regeln verstehen und erste Erfolgserlebnisse sammeln. Wichtig ist, dass Vereine dieses Wissen berücksichtigen und ihr Training darauf ausrichten – also spielerisch, kindgerecht und ohne Leistungsdruck. Eltern sollten gezielt solche Angebote wählen, die nach diesen Prinzipien arbeiten. Der eigentliche Kampfsport mit Techniken und Prüfungen kommt dann erst später, ab dem Schulalter, schrittweise hinzu.

Nach Erikson ist Kampfsport in diesem Alter (3–6 Jahre) nicht notwendig, da Kinder diese Entwicklungsschritte ebenso gut in vielen anderen Kontexten machen können.

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