Konflikte können überall entstehen. Hier einige Beispiele, die eine Eskalation begünstigen könnten, sowie ein paar Grundregeln und Methoden der Deeskalation.
Es geht etwas schief und eskaliert Stufe um Stufe
Wie du hier schon lesen konntest leitet sich der Begriff „Eskalation“ von „Rolltreppe“ bzw. „Treppe“ ab, was verdeutlicht, dass Konflikte oft stufenweise eskalieren. In manchen Fällen werden einzelne Stufen übersprungen, wenn jemand direkt mit Beleidigungen oder respektlosem Verhalten reagiert. Für manche Menschen kann bereits eine unachtsame Begrüßung als erste Stufe auf dieser Eskalationstreppe wahrgenommen werden. Wann eine Situation von einer Person als kritisch oder bedrohlich empfunden wird, ist jedoch höchst individuell und hängt stark von der persönlichen Wahrnehmung ab.
Im Folgenden sind einige Faktoren aufgeführt, die eine Situation eskalieren lassen können.
- Fehlende Begrüßung, kein Blickkontakt dabei. Dies mag zunächst unbedeutend erscheinen. Doch es kann ein kleiner Auslöser sein
- Mangelnde Wertschätzung des Gegenübers während des Gesprächs, z.B. durch ständige Unterbrechungen oder Unterhaltungen mit anderen
Unbedachte, abwertend wirkende Äußerungen über die Lebenslage oder das persönliche Umfeld des Gesprächspartners - Herablassend und verächtlich wirkendes Verhalten gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, meist aus Unkenntnis der kulturellen Hintergründe
- Gelangweilte oder abwertende Gesten und Verhaltensweisen während des Gesprächs, z.B. Gähnen, auf die Uhr schauen, mit den Fingern trommeln etc.
- Falsche Behauptungen, zu wenig Sachkenntnis, vermittelter Eindruck von Inkompetenz und Unorganisiertheit
- Drohendes Auftreten
- Missachtung der Privatsphäre: Besprechung von zu privaten Themen, wenn andere Personen zuhören
Diese Punkte könnten um viele weitere ergänzt werden. Wichtig ist, darüber nachzudenken, was andere als unangenehm empfinden könnten oder an welcher Stelle wir die Treppe der Eskalation hinaufsteigen.
Kluges und deeskalierendes Verhalten bei Konflikten
Der beste Schutz vor Konflikten und Eskalation ist es, sie frühzeitig zu erkennen. Wenn wir sie erst einmal wahrnehmen, können wir sie bewusst vermeiden. Wenn wir sie nicht vermeiden können, ist es wichtig geschickt zu reagieren. Im Folgenden sind einige Punkte angeführt, die dir helfen könnten, zu deeskalieren oder einfach aus einer drohenden Gefahr herauszukommen.
Orte und Wege bewusst wählen: In vielen Umgebungen gibt es sichere Bereiche. Ob im Büro, auf dem Weg nach Hause, auf öffentlichen Plätzen, in Verkehrsmitteln, bei Demonstrationen oder beim Waldspaziergang. Sei dir deiner Umgebung bewusst! Wo sind Ausgänge, Kameras oder verantwortliche Personen. Welche Seite einer Straße wähle ich, ist der Bereich gut beleuchtet, trifft man an dieser Stelle öfter Betrunkene an, sind die Orte für Schlägereien bekannt, zu welcher Uhrzeit sind die Orte wie menschenleer, wo fände ich Hilfe in der Nähe, gibt es versteckte Ecken, wo könnte man mir auflauern, überlege dir im Vorfeld Alternativwege usw.
Ungewöhnliches Verhalten beobachten: Beobachte die Menschen in deinem Umfeld und achte auf Hinweise wie Stress, Nervosität oder den Einfluss von Drogen. Wer lauter wird, seltsam spricht oder sich unruhig verhält, sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Achte nicht nur auf Worte, sondern auch auf Gestik und Mimik, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen. Nimm auch nonverbale Zeichen für Fluchtbereitschaft oder Entspannung wahr. In Gruppen können sich Eskalationen anders entwickeln als bei Einzelpersonen. Manche Menschen fühlen sich in der Gruppe stärker und aggressiver.
Abstand halten zu den anderen: Halte genügend Abstand zu der Person, die eskaliert. Also zu Peronen, die zum Beispiel aggressiv oder aufgebracht wirken. Der Abstand gibt Sicherheit, du kannst dich im Notfall schnell zurückzuziehen oder dich rechtzeitig verteidigen.
Gelassen wirken: Wer ruhig und entschlossen wirkt, strahlt eine natürliche Sicherheit aus. Eine zu unterwürfige oder ängstliche Haltung kann in manchen Fällen Aggressoren ermutigen. Eine aufrechte Körperhaltung und direkter Blickkontakt signalisieren Selbstvertrauen und Souveränität. Selbstbewusstsein sollte nicht überheblich erscheinen. Eine freundliche, aber bestimmte Art hilft, Missverständnisse zu vermeiden und reduziert potenzielle Angriffsflächen. Unsicherheit hingegen kann angreifbar machen – ein gesundes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärkt die persönliche Ausstrahlung. Doch übertreibe es nicht und fordere dadurch andere ggf. heraus. Wer lange Zeit Selbstverteidigung trainiert hat, kann selbst in Situationen, die schon etwas eskaliert sind, ruhig bleiben, weil er um seine Fähigkeiten weiß, sich im Notfall verteidigen zu können.
In Konfliktsituationen, die unausweichlich scheinen, können Fähigkeiten der Selbstverteidigung aber nicht nur zum eigenen Schutz dienen, sondern auch dazu beitragen, anderen in Gefahr zu helfen. Das Recht auf Notwehr und Nothilfe (§ 32 StGB) erlaubt es, sich selbst und Dritte gegen rechtswidrige Angriffe zu verteidigen, wenn dies erforderlich ist. Gleichzeitig bleibt die Pflicht zur Hilfeleistung bestehen, sofern sie ohne erhebliche Eigengefahr möglich ist (§ 323c StGB).
Emotionen regulieren: Einfache Atemtechniken helfen, in stressigen Momenten gelassen zu bleiben. Mehrmals tief ein- und auszuatmen kann oft Wunder wirken. Statt impulsiv zu reagieren und auf Provokationen einzugehen, hilft es, ruhig und souverän zu bleiben. Sich auf die eigene Atmung zu konzentrieren und einen kühlen Kopf zu bewahren, kann dabei unterstützen.
Übe eine zielführende Kommunikation: Eine höfliche, aber bestimmte Reaktion kann Missverständnisse vermeiden und die Situation entschärfen. Beispiele dafür sind "Ich möchte nicht, dass Sie mir so nahe kommen", oder "Das war keine Absicht, es tut mir leid", in vielen Konzepten spricht man gerne von Ich-Botschaften. Fragen wie „Was können wir tun, um eine Lösung zu finden?“ oder „Könnten Sie das bitte genauer erklären?“ helfen, viele Situationen zu entschärfen. Sie lenken die Aufmerksamkeit weg vom Konflikt und schaffen eine sachliche Gesprächsebene. Manchmal ist Schweigen die beste Strategie. Unnötige Worte zu vermeiden, kann dazu beitragen, eine hitzige Auseinandersetzung zu entschärfen oder sogar ganz zu beenden. Auch Humor oder eine Ablenkung kann manchmal eine angespannte Situation entschärfen.
Setze klare Grenzen: Deutlich und laut „Nein!“ oder „Lass das!“ zu sagen, kann helfen. Eine bestimmte Stimme mit der entsprechenden Körpersprache signalisiert Entschlossenheit und kann abschreckend wirken.
Schreien und Hilfe suchen: Ein lauter Ruf kann Aufmerksamkeit erregen und andere darauf hinweisen, dass Unterstützung benötigt wird. Wer in der Nähe könnte helfen? Sprich andere an!
Flucht ist ok: Sich aus einer gefährlichen Situation zu entfernen, ist oft die klügste und sicherste Entscheidung. Selbst, wenn man Kampfsport beherrscht, sollte man einer Auseinandersetzung aus dem Wege gehen. Ein Lucky Punch kann immer treffen, der andere kann eine Waffe haben oder ist einfach überlegen. Wegzugehen bedeutet nicht aufzugeben, sondern Verantwortung für die eigene Sicherheit oder die der anderen zu übernehmen. Man ist nicht immer alleine unterwegs und kann nicht sich und auch noch andere verteidigen. Beispiel: Du und dein Kind werden auf der Straße von zwei Männern angepöbelt. Wendet euch lieber ab und geht zu anderen Menschen, statt das Risiko einer Auseinandersetzung einzugehen.
Falsche Heldenrolle vermeiden: Manchmal ist es besser, sich oder andere aus der Situation zu bringen, statt sich unnötig in Gefahr zu bringen.
Notruf & Sicherheits-Apps nutzen: Im Ernstfall schnell den Notruf (110) wählen oder spezielle Sicherheits-Apps verwenden, um Hilfe zu rufen. Manche Apps senden z. B. den Standort direkt an Notfallkontakte.
Nachbereitung nach Gefahrensituationen: Falls du eine bedrohliche Situation erlebt hast, reflektiere sie und besprich sie mit anderen, um daraus zu lernen. Wende dich damit, wenn nötig, an die entsprechenden Behörden, Arbeitgeber, usw.
Medientipp: Star Trek: The Next Generation mit Picard als stets deeskalierendem Captain.
Jeder kann selbst einiges tun, um im Alltag Konflikte und Eskalationen zu vermeiden. Jeder von uns trägt dazu bei, wie Konflikte entstehen und wie sie gelöst werden können. Indem wir uns bewusst in schwierigen Momenten auf unsere Reaktionen und das Verhalten unserer Mitmenschen achten, können wir vielleicht nicht nur uns selbst, sondern auch andere vor unnötigen Spannungen und Gefahren schützen. Doch die eigene Wirkung und der eigene Handlungsspielraum in Situationen hat selbstverständlich Grenzen. Zwar helfen Konfliktmanagement und Deeskalationsmethoden in vielen Situationen, doch im Falle eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs kann Notwehr erforderlich sein. Welche Vorteile das regelmäßige Training einer Kampfkunst in diesem Zusammenhang bietet, erfährst du hier.
Im Saarland, insbesondere in der Landeshauptstadt Saarbrücken, finden gelegentlich Kurse zu Deeskalation und Konfliktmanagement statt.
Die VHS Saarbrücken bietet 2025 an: AR1408 Konfliktlösungen von innen heraus anstatt von oben herab: Link
VHS-Kurse Saarbrücken Mediation: Link
Zu Konflikten am Arbeitsplatz finden wir auf der Page der HTW-Saar: Link
Auf der Seite der Stiftung Demokratie finden wir auch in Saarbrücken: Link