Viele der folgenden Daten sind aus dem Buch "Chung Kuo Chuan Chinese Boxing Street Combat Survival: Volume 1" von Christian Rothhaar entnommen. Sie beschäftigen sich mit der Entwicklung des Kung Fu im saarländischen Ottweiler mit Bernd Rathey und Wilhelm Blech.
Beide Männer betrieben bis Mitte der siebziger Jahre Karate, Taekwondo, Judo, Ringen und andere Kampfsportarten, waren aber mit dem Schwerpunkt auf körperliche und geistige Fitness unzufrieden - der Aspekt der Selbstverteidigung kam ihnen zu kurz. Sie wollten ein Kampfkunstsystem lernen und lehren, das die praktische Selbstverteidigung in den Mittelpunkt stellt.
Durch Recherchen entdeckten Rathey und Blech chinesische Kampfstile, die damals in Deutschland eher unbekannt waren. In Ottweiler fanden sie einen Raum zum Trainieren und gründeten dort die Interessengemeinschaft Chung Kuo Chuan (CKC), die sich mit verschiedenen modernen Vollkontaktstilen und Stilen wie dem Jet Kune Do, Choy Lay Fut oder Wing Chun auseinandersetzte. Die Gemeinschaft hatte schon nach kurzer Zeit zahlreiche Schüler.
1976 wurde das Wing Tsun Kung Fu über Kiel in ganz Deutschland bekannt gemacht. Es war sozusagen die Geburtsstunde des Wing Tsun in Deutschland und beide Männer waren schon in den Anfangsjahren dabei. Sie waren zu dieser Zeit im Nauwieser Viertel in Saarbrücken in der Turnhalle der Rotenbergschule beim Training anzutreffen. Denn dort war eine der ersten Schulen im Saarland für diesen Stil.
Schon 1978 gründete Bernd Rathey eine eigene Wing Tsun Schule in St. Wendel. Ein paar Jahre später konnten sie auch Bruce Lees ersten Schüler und Assistant Instructor Jesse Raymond Glover bei Seminaren in der Turnhalle der damaligen Rotenbergschule (Saarbrücken) kennenlernen. In der Chung Kuo Chuan Interessengemeinschaft übten und kombinierten beide weiterhin diverse andere Konzepte und Stile mit dem Wing Tsun. Nur wenige Jahre später trennten sich beide vom Wing Tsun. Bernd Rathey trainierte nun unter Sifu Cheng Kwan das Tang Lang Quan und den Messerkampf und gab dieses Wissen in seiner Gruppe weiter. Diese führte er nun ohne seinen Freund Wilhelm Blech, der sich ganz auf das Wing Chun konzentrierte.
Rathey besuchte 1982 ein Seminar zum Mantis-Stil in Ramstein von Manuel Agrella der "Tong Leong Gwo Shuh Goan". Manuel Agrella kam aus den USA und war einer der Sifus von Frankie Dow (Alias Chang Kwan Chun). Frankie hat von 1978-2006 in der Westpfalz gelebt und durchgehend in Kaiserslautern unterrichtet. Der US-Soldat war auch im Umfeld der amerikanischen Soldaten um Kaiserslautern und Ramstein zu treffen wo er Unterricht gab. Später war er Sifu im Shaolin Kung Fu, Qi Gong und Tai Chi im Kloster in Kaiserslautern. Er war Mitbegründer der Tai Chi Akademie, die seit 2004 existiert und Kung Fu, Qi Gong und Tai CHi Chuan unterrichtet. Dow hatte damals engen Kontakt zu Wilhelm Blech. Rechts auf dem Bild mit rotem Oberteil (dann Kil-Do Park, Wilhelm Blech, Chan Chiu).
Ab ca 1983 bis 1986 trainierte Wilhelm Blech unter Chan Chiu (Bild Links), einem Schüler von Wang Kiu. In Neunkirchen führte er in der Marienstraße die Kneipe P1. Wenn mal nicht so viel los war, wurde in der Küche Lapsao und Chisao trainiert. Nach dem Video "Wing Chun - Prinzipien des Kämpfens" beschäftigte sich Wilhelm Blech ab 1986 mit dem Wing Chun unter Meister Wang Kiu (1923-2009). Noch 1990 gab es Anfang Juli 5 Tage Training auf einem Seminar mit "Sigung Wang Kiu" und "Sifu Wilhelm Blech" in Freiburg. Rechts Sifu Blech und einer seiner damaligen Schüler (noch unter Chan Chiu).
Dann aber, im Jahr 1992, vereinbarte er mit seinen drei ältesten und noch aktiven Schülern ein Treffen mit Meister Lok Yiu in Hong Kong. Dieser war zu der Zeit ältester lebender Schüler der Hongkong-Schule des Großmeisters Yip Man. Blech, der zuvor die Wing Chun Kung Fu Academy Germany (WCKFAG) leitete (Auflösung 1995) wurde erster europäischer Vertreter von Sifu Lok Yiu (1922-2006) und Gründer der ELYWCIMAA (European Lok Yiu Wing Chun Martial Arts Assotiation).
Ab 1994 fand man in Ottweiler das "Bernd Rathey Schneidewaren - Fine Cutlery" Geschäft in der Schloßstraße 13. Bernd Rathey, der sich seit 30 Jahren dem Messersammeln verschrieben hatte, machte sein Hobby zum Beruf. Dort fand man Marken wie Cold Steel, Laguiole, Herbertz und andere.
Nach vielen Jahren als Kampfkunstlehrer und Messerexperte verstarb Bernd Rathey im Jahr 2006 unerwartet. Sein Freund Wilhelm Blech verstarb im Jahr 2012.
Rechts im Bild: Bernd Rathey, Jesse Raymond Glover, Wilhelm Blech und Schüler & Freund von Jesse Glover im Kampfsportartikel-Geschäft von Wilhelm Blech in Neunkirchen.
Blech und Rathey blieben dem Saarland bis zu ihrem Lebensende treu und bereiteten mit ihrem Erfahrungsschatz über zahlreiche verschiedene Stile vielen Kampfkünstlern den Weg. Ihr Enthusiasmus und ihre Disziplin im Kung Fu (Übersetzt "harte Arbeit") sind für viele der heute Kung Fu praktizierenden Vorbild.
Hier eine Fotomontage der beiden Gräber in einem Bild:
(Beide Fotos: 7.9.2023. Auf dem Friedhof in Ottweiler. Von Eckhard Sutter. Er wurde 1984 To-Dai von Sifu Blech. )