"Selbstverteidigung für Frauen" von Jürgen Holler, Stefan Reinisch und Axel Maluschka hat 207 Seiten und circa 300 Abbildungen. Es ist aus dem Jahr 2016.
Das Buch aus dem Meyer & Meyer Verlag bietet ein sauberes Inhaltsverzeichnis, ein Verzeichnis weiterer Buchempfehlungen und Anlaufstellen, aber kein Stichwortverzeichnis. Es hat eine klare Struktur und der Lesefluss wird durch Abbildungen, Info-Kästen und eine übersichtliche Gliederung unterstützt. Die drei Autoren verfügen über einen großen Erfahrungsschatz, im Buch wird man dies merken.
Jürgen Höller (Jahrgang 1953) ist Diplom-Trainer und besitzt die Trainer-C-Lizenz im Boxen. Er trägt den 3. Dan in Taekwondo, Ashihara Karate und Jujitsu sowie Schwarzgurte in Judo und Combat Hapkido. Zudem ist er als Referent auf Lehrgängen im In- und Ausland sowie in der Trainerausbildung verschiedener Kampfsportverbände tätig.
Axel Maluschka ist Karateka, Trainer und Autor von sieben Büchern über Kampfkunst. Sein Karate-Dojo inspirierte ihn zur Entwicklung der Osu!-Strategie für souveräne Unternehmer und starke Teams. Er sagt: „Ich habe nicht jeden Kampf gewonnen, aber aus jedem gelernt.“
Stefan Reinisch begann mit 10 Jahren Judo und wechselte 1988 zum Jujitsu. Heute ist er Selbstverteidigungstrainer am Universitäts-Sportinstitut Wien, Ausbildungsberater in der Sicherheitsbranche und Personal Trainer für Selbstschutz. Er leitet die Vereinssektion "Combative Academic Amateurs" (Shobukai Austria), ist Mitglied von "Combatives Austria" und unterrichtet Selbstverteidigung an Schulen. Seine Expertise spiegelt sich in Büchern, TV-Auftritten und Fachartikeln wider.
Auf Seite 12 bekommen wir eine Definition von Gewalt, so verstehen wir, um was es in diesem Buch geht. Seite 15 beschreibt einige Motive von Gewalt gegen Frauen und auf Seite 17 die Gründe sich zu wehren. Brecht wird zitiert mit "Wer kämpft kann verliehren. Wer nicht kämpft hat schon verloren". Damit soll klar gemacht werden: Gegenwehr ist sinnvoll! Dies wird auf den Folgeseiten mit einigen Statistiken untermauert. Hier heißt es dann klar (S19): "Also, liebe Frauen: Wehrt euch!". Und Recht haben die Autoren.
Für alle die, die noch zweifeln: Ab Seite 20 werden moralische Bedenken besprochen und ab Seite 21 die Rechtslage in Österreich und ab Seite 29 die Rechtslage in Deutschland erklärt. Also was ist Notwehr, Gegenwärtigkeit, Notwehrexzess usw.
Ab Seite 31 weisen die Autoren darauf hin, wie wichtig es wäre, Selbstverteidigungskurse zu besuchen und Seite 33 fragt, welche Vorteile es hat, als Frau Kurse zu besuchen, in denen man auch mit Männern trainiert. Auf dieser Page wurde darauf bereits in diesem Artikel hingewiesen. Ab Seite 34 geht es um die Psyche beim Training und die Intuition. Ab Seite 41 beginnt der Praxisteil.
Wir gehen auf einige Punkte ein: Seite 54 beschäftigt sich mit dem Schubsen und einer passenden Wortwahl, dann mit dem Blick und dem Einsatz der Stimme. Auf Seite 62 kritisieren die Autoren die Nutzung von Hebeln, Würfen und Würgetechniken und nehmen Bezug auf die Inhalte des Aikido. Sie kritisieren hier auch "nachgebende" bzw "weiche" Techniken. Das ist zu undifferenziert. Ist Ausweichen nicht auch Nachgeben und ist ein Bongsau nicht eine "weiche" Technik? Die Kritik an einigen Konzepten der Kampfkünste ist verständlich. Selbst in hohen Klassen einiger Kampfsportarten gehen simulierte Angriffe komplett an der Realität vorbei. Ob wir eine Judo- oder Aikidoschule finden, in der Verteidigungen gegen schnelle Boxerangriffe oder Kick-Schlag-Kombinationen von Kickboxern geübt werden, ist fraglich. Warum Distantzvergrößerung, Ausweichen oder auch nur ein Feger nicht schon nach wenigen Jahren als Verteidigung funktionieren können sollten, ist unklar. Die Intention der Autoren ist erkennbar, mehr erhellende Worte hätten an dieser Stelle gut getan.
Ab Seite 63 geht es um das Thema Distanz, dann um Trefferzonen und Kampfverhalten und ab Seite 72 geht es um das Thema Fallen. Ja, im Ernstfall liegen im Park keine Matten wie im BJJ-Training oder beim Ringen. Man sollte dies bedenken. Ebenso das Thema Gewichtsklassen in etlichen Kampfsportarten: In der Notwehr ist dem Angreifer die Gewichtsklasse egal. Daher sind diese Hinweise sehr wichtig (Seite 77). Im Folgenden finden wir einige Beispiele zum Thema Bodenkampf und Seite 84 beschäftigt sich mit dem "Upa" aus dem BJJ.
Auf Seite 90 wird gesagt, dass die Idee des ständigen Einschlagens auf den Gegner bzw Beschäftigen des Gegners eine Idee des Wing Chuns ist. Andere Kampfkünste haben ähnliche Ideen und selbst, wer in einer guten Boxschule ist ,wird dieses Thema besprechen und üben. Die Kettenschläge sind sicher Teil der ersten Form des Wing Chun, aber die Idee dahinter finden wir in vielen Stilen. Warum Seite 91 davor warnt, dass Frauen eine Faust nutzen sollen, ist nicht klar. Hier wird das Verletzungsrisiko genannt und daher der Handballen als Waffe empfohlen. Seite 92 zeigt eine Technik der zweiten Form des Wing Chun. Seite 100 weist auf Fingerverletzungen hin beim Nutzen von Fingerstichen Richtung Auge - ein guter Hinweis. Auf Seite 124 fehlt der Hinweis, dass ein Lowkick, der mit dem Schienbein geblockt wird, für den Kickenden höllisch wehtun kann. Gerade wenn wir die Gewichtsklasse außen vor lassen und eine 50 Kilo-Frau einen Lowkick gegen einen 90 Kilo-Mann versucht. Auch auf den folgenden Seiten werden verschiedene Techniken wie Haareziehen und Fingerhebel beschrieben.
Ab Seite 165 geht es um mögliche Waffen der Verteidigung, und wenn es nur ein Rucksack ist oder eine Jacke. Ab Seite 181 geht es um die Verwendung von Pfeffersprays.
Ab Seite 186 wird das Verhalten nach der Verteidigung thematisiert - eine sehr gute Idee. Ab 192 gibt es eine Hilfsliste, wie man Kurse zur Selbstverteidigung bewerten kann und auf Seite 193 finden wir den Hinweis, dass wir offen sein sollten für diverse Stile und dass es eben keinen allein seligmachenden Stil gibt. Ganz nach Bruce Lee.
Das Buch "Selbstverteidigung für Frauen" ist eine klare Empfehlung. Es liest sich sehr gut, enthält viele wichtige Themen und macht darauf aufmerksam, dass man das Ganze auch trainieren muss, um es im Notfall sinnvoll einsetzen zu können. Die Autoren wissen, wovon sie sprechen. Von daher: lesen!
Autor: Jürgen Höller, Axel Maluschka, Stefan Reinisch
ISBN-10 : 9783840375002